Montag, 23. März 2009

 

Inga Wocker, Bismarcktürmer

"Türmer gesucht", ich stieß zufällig auf diese kleine Anzeige in der Stuttgarter Zeitung und war sofort interessiert. Der seit Jahren für die Öffentlichkeit nicht mehr zugängliche Bismarckturm sollte wieder geöffnet werden, und man brauchte dafür Freiwillige für die Wochenenddienste. Es war klar, dass ich zum ersten Infotreffen ging, wo sich rund 20 Leute einfanden und das neue Projekt vorgestellt wurde.

Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts über diesen Turm gehört, war auch erst vor kurzem nach Stuttgart gezogen und erfuhr nun, was es mit diesem Turm auf sich hat: Gebaut 1902 von der Studentenschaft war er jahrelang Mittelpunkt großer Sonnwendfeste der Studenten gewesen, bei der ein riesiges Feuer auf der großen Feuerschale entzündet wurde, so dass eine 3 Meter hohe Flammensäule hochloderte. Später wurde er dann zum Wasserturm umfunktioniert und in den 50er Jahren geschlossen. Obwohl in den 80er Jahren aufwendig saniert, war der Turm nicht mehr als Besichtigungsturm genutzt worden. Das sollte jetzt, im Herbst 2002 endlich anders werden.

Als Türmer holte ich mir erst einmal den Schlüssel beim Obertürmer Christian Wieder, der ganz in der Nähe wohnte und sich zusammen mit dem eigens gegründeten Förderverein für die Öffnung an den Wochenenden einsetzte und auch jederzeit für Fragen und alle Notfälle zur Verfügung stand. Dann ging ich das letzte Stück zum Turm hoch, schloss auf und bereitete alles für die Besucher vor: Kasse und Eintrittskarten bereitlegen, Gästebuch aufschlagen, Kontrollgang durch den Turm, ob alles in Ordnung ist, evtl. Müll auf der Plattform wegräumen oder durchkehren, Flyer auslegen und für die Kleinen ein Glas mit Süßigkeiten u.ä. bereitstellen.

Es war toll zu sehen, wie interessiert die Besucher waren, manche machten hier Urlaub, kamen sogar aus dem Ausland oder hatten den Bismarckturm von ihren Stuttgarter Freunden empfohlen bekommen. Oft kamen ganze Gruppen, sogar mit Reisebussen oder auf der Wanderung, aber auch Familien, die auf ihrer Radtour vorbeikamen und nach der Besichtigung vor dem Platz davor in der Sonne Picknick machten. Viel lernte ich der Neubürger von den vielen alteingesessenen Stuttgartern, die vom Turm und seiner Entwicklungsgeschichte erzählen konnten, weil sie es selbst miterlebt hatten und von oben die ganzen Stadtansichten erklären konnten.

Als ich unverhofft zu einem jungen Hund kam und einen Tag später Dienst hatte, nahm ich sie einfach mit, und auch das war völlig unproblematisch, sie lag bei mir hinter dem Tisch und zwischendurch durfte sie draußen etwas herumspringen. Einmal war eine junge Mutter mit einer quengeligen Dreijährigen und einem Baby auf dem Turm. Es war kurz vor Schluß und die anderen Besucher waren bereits gegangen. Beim Herunterkommen fragte sie, ob sie hier noch ihr Baby stillen könnte. Ich brachte sie in den kleinen Nebenraum, wo die Turmutensilien gelagert wurden, dort stand ein Stuhl, es war warm, ruhig und abgeschirmt.

Um Nachwuchs brauchte sich der Obertürmer nicht zu sorgen, viele Stuttgarter wollten mitmachen, gerade auch später, als das Projekt angelaufen und bekannt geworden war. Da ich zu den gemeinsamen Treffen meist nicht kommen konnte und daher die übriggebliebenen Dienste bekam, waren irgendwann soviele Interessierte dabei, dass keine Dienste mehr übrigblieben. Dieses freiwillige Engagement freute mich, ich war nicht mehr nötig hier und suchte mir daher andere Projekte, die nicht soviel Glück hatten. Davon vielleicht ein andermal.

Kommentare: Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]





<< Startseite

This page is powered by Blogger. Isn't yours?

Abonnieren Posts [Atom]