Dienstag, 20. Oktober 2009

 

Inga Wocker, Frauenkulturzentrum SARAH

"Das SARAH stellt sich vor", so stand es im Programmheft, das ich irgendwo entdeckt und mitgenommen hatte. Bisher waren Frauenprojekte, Emanzipation, Gleichberechtigung, etc. ein Buch mit sieben Siegeln für mich, doch da ich schon nach der Grundschule auf ein Mädchengymnasium "geflohen" war, entschloss ich mich spontan hinzugehen und mich zumindest mal zu informieren.

Nette Frauen - die meisten gestandene Feministinnen und seit Jahren schon dabei - lehrten und informierten mich im Laufe meiner Mitarbeiterzeit: Ich erfuhr von der Initiative in den 60ern, Frauen, die zusammen wohnen, arbeiten und leben wollten, die ein großes Haus mieteten und dort nach und nach ein Frauenkulturzentrum aufbauten, mit zahlreichen Veranstaltungen zu den verschiedensten Themen, einem kleinen Café, wo man sich traf, diskutierte und Pläne schmiedete, wo man zeitweise auch heftig stritt, bedroht wurde und sich gegen Polizei und Nachbarschaft zur Wehr setzen musste.

Ich arbeitete mit, ging zu den Projektgruppentreffen, wo das Programm zusammengestellt wurde, wo über neue Ideen beratschlagt und Veränderungen der Räumlichkeiten besprochen wurden. Manchmal kam ich beflügelt nach Hause, wenn ich mit meinen Vorschlägen und Ideen ankam, wenn ich das Gefühl hatte, jetzt geht es vorwärts, gemeinsam schaffen wir das. Oft jedoch war ich auch mutlos und enttäuscht von der Skepsis und Zurückhaltung, von den unterschwellig laufenden Streitigkeiten, die ich als Neuling überhaupt nicht durchschauen konnte, die aber dazu führten, das keine Einigkeit zu erzielen war und eine unvoreingenommene Zusammenarbeit oft scheiterte.

Ich war froh, als ich meine Bilder und Fotografien dort ausstellen durfte, als ich Frauen aus meinem Freundeskreis als Referenten gewinnen konnte, ja, sogar meine Mutter machte mit als eine indische Referentin absagte, und gestaltete als Alternative einen spanischen Abend, der sehr gut ankam. Mit einer Frau, die gleichzeitig mit mir angefangen hatte aber im Gegensatz zu mir sehr viel über die Frauenbewegung und ihre wichtigsten Köpfe wusste, durchstöberten wir auf dem Dachboden Archivmaterial, alte Programmhefte, Sitzungsprotokolle, Plakate, etc. Wir dachten sogar daran, eine kleine Schriftenreihe dazu zu entwickeln und herauszugeben. Doch wie so oft wurde auch diese Idee solange verschleppt und zerredet, bis schließlich keiner mehr Lust dazu hatte, ich eingeschlossen.

Manchmal dachte ich, ist ja eigentlich seltsam, da bekommt so ein Verein jedes Jahr eine recht beträchtliche Summe von Stadt und Land zur Verfügung gestellt, um seine Arbeit zu machen, und gleichzeitig sitzen im Café immer die gleichen 5-10 Pappnasen herum, die seit Jahrzehnten schon kommen und das quasi als ihr privates Wohnzimmer ansehen, und zu den Veranstaltungen kommt auch so gut wie niemand, so dass es gerade für Referenten mit weiter Anreise schon teilweise recht trostlos ist. Versuche, die Mädchen aus der gegenüberliegenden Schule als neue Mitarbeiter zu gewinnen oder mehr Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, scheiterten regelmässig an den "Urgesteinen" des Sarah, die ihre Vorrangstellung und ihren Einfluss offensichtlich in Gefahr sahen und eben doch lieber mit den altvertrauten Gesichtern unter sich bleiben wollten.

Zugegeben, ich habe in diesem knappen Jahr eine Menge gelernt, gerade auch im Hinblick auf Gruppenprozesse, Kommunikation, Frauen in ihrer Schönheit und Grausamkeit, Öffentlichkeitsarbeit und die Geschichte der Frauenbewegung, aber ich werde wohl auch in Zukunft kein "Gästinnenzimmer" dort in Anspruch nehmen und mich nicht dem Diktat dieser weiblichen Grammatik beugen. Was mich auch im Nachhinein erschreckt und recht nachdenklich zurücklässt, ist die unechte, fast zwanghafte Solidarität und Harmonie, die eine echte und damit konstruktive Auseinandersetzung völlig unmöglich macht und gleichzeitig echte Begegnung und Freundschaft verhindert.

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